an den faulig riechenden Obstkeller

Aus: Berta Brunner-Müller, Ich erinnere mich

Ich war vielleicht fünf Jahre alt, weiss aber nur sicher, dass ich noch nicht in den Kindergarten gegangen bin.

Schon bevor wir, meine Eltern, meine Grosseltern väterlicherseits – die mit uns lebten – und meine vier Geschwister und ich, die Jüngste von allen, uns an den Tisch gesetzt hatten, war die Stimmung angespannt gewesen. Ungutes hatte an jenem Sonntagmorgen in der Luft gelegen. Während des ganzen Essens hatte keine, keiner der vier Erwachsenen ein Wort gesagt oder nur das Allernötigste, wenn es galt, auf dem langen Tisch eine Schüssel zu verschieben.

Jetzt stand endlich das Dessert auf dem Tisch. Mostcreme gab es, die ich sehr gerne mochte, heute aber partout nicht essen wollte. Ich schob das Schüsselchen von mir. Meine Mutter stellte es mir eher unsanft wieder vor die Nase. Sie, die an einem andern Tag wohl gesagt hätte, dass ich die Creme dann ja später essen könne, drohte mir mit Strafe, wenn ich jetzt nicht endlich vorwärts machen würde.

Ich weigerte mich. Das Schweigen wurde drohender, das Ticken der Wanduhr lauter. Meine Mutter stand schliesslich auf, klemmte mich unter den Arm und trug mich, die ich mich wehrte, gellend schrie, um mich schlug, hinaus, um mich im Nebenhaus in den dunklen, feuchten, faulig riechenden Obstkeller zu sperren.

Das hatte sie noch nie getan. Wütend und voller Angst trat ich gegen die verriegelte Tür. Als diese nicht nachgab, beigte ich leere Obstharassen, über die ich im Dunkeln gestolpert war, aufeinander, um an das kleine, vergitterte Oberlicht zu gelangen. Dort hämmerte ich an die Fensterscheibe.

Als meine Mutter nach einer Ewigkeit – es waren wohl kaum fünf Minuten gewesen – zurück kam, lag ich zusammengekauert, verzweifelt schluchzend hinter der Tür. Sie hob mich auf, hielt mich in den Armen, und ich sah grosses Erschrecken in ihren Augen. «Wie siehst du denn aus? Was hast du gemacht?» Im Licht, das durch die nun offen stehende Tür eindrang, sah ich meine blutüberströmten Hände, und dass meine beiden Arme bis zu den Ellenbogen voller Schnitte waren. Mein vom Tränen- und Rotzabwischen blutverschmiertes Gesicht konnte nur meine Mutter sehen, die sich auf eine der in den Keller herunterführenden Treppenstufen hatte setzen müssen.

Dort sass ich dann auf ihrem Schoss vor dem dunklen Kellerloch, die Tränen liefen uns beiden übers Gesicht …….. bis sie mich zurück ins Haus trug und im Badezimmer wusch und verarztete.

 
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