Dunkelheit

aus: J.W., Zwischenstopp Planet Erde

Mentale und körperliche Herausforderung

Es folgten in meinem Leben nach leuchtenden Tagen die dunklen. Und wie so oft geschah alles zusammen. Deine Grossmutter erkrankte an Krebs. Meine damalige Beziehung zerbrach, womit ich nicht gerechnet hatte. Ich wurde wenige Monate darauf krank und absolvierte gerade ein Studium, das mich nicht annähernd erfüllte. Ich kämpfte mich durch, ohne auf meinen Körper und meine Seele zu hören. Das Resultat war eine doppelte Lungenentzündung und ich musste in den Notfall gehen. Sie haben mir dort empfohlen, dass ich für ein paar Tage im Krankenhaus bleiben sollte, einfach vorsichtshalber, aber ich wollte nicht. Ich wohnte damals, wie jetzt auch, alleine in meiner Wohnung und ich hatte niemanden, der mich pflegte. Darum ging ich zu deinen Grosseltern, um mich für mehrere Wochen auszukurieren. Ich konnte mich fast nicht bewegen und war abgemagert – auch mental war ich in keiner guten Verfassung. Während ich dies nun niederschreibe, kann ich mich nicht mehr daran erinnern, wie ich das alles ausgehalten habe. Ich wusste, dass ich für die Prüfungen lernen musste und fühlte mich enorm unter Druck. Als es mir dann wieder besser ging und ich an die Abschlussprüfungen gehen konnte, fühlte ich mich nicht vorbereitet und das widerspiegelte sich in den Noten. Der Inhalt des Studiums sagte mir wenig zu und eigentlich wollte ich abbrechen, aber ich orientierte mich an dem, was die anderen wollten. Schlussendlich konnte ich mich doch dazu durchringen, es abzubrechen. Es fiel mir nicht leicht und ich haderte lange mit meiner Entscheidung. Nur kurze Zeit später musste unsere Katze eingeschläfert werden. Es war eine schwere Zeit und die schlechten Nachrichten wollten einfach nicht enden.

Eine tiefschwarze Nacht

Einige Jahre später hatte ich eine Eileiterschwangerschaft. Ich wusste zu dem Zeitpunkt nicht, dass ich schwanger war, da ich hormonell verhütete. Ich bemerkte irgendwann einige Veränderungen an meinem Körper – ich war enorm müde und selbst kurze Gespräche laugten mich sehr aus. Mir fielen dauernd fast die Augen zu. Meine Brüste waren gewachsen, ich hatte keine Lust auf Kaffee und ich konnte viele Lebensmittel nicht mehr riechen. Ich dachte mir aber nichts weiter dabei. Ich hatte sogar eine leichte Regelblutung, daher machte ich mir keine grossen Sorgen, obwohl ich manchmal ein mulmiges Gefühl hatte. Es war eine spezielle Zeit. Ich erzählte es meiner Familie, Freunden und auch der Frauenärztin. Niemand kam auf den Gedanken, dass ich schwanger sein könnte! In der neunten Schwangerschaftswoche ging es mir immer schlechter. Ich kann mich noch genau daran erinnern, wie ich eines Morgens all diese Anzeichen im Internet eingab, welche auf eine Schwangerschaft hindeuteten. Ich wollte noch am gleichen Tag einen Test machen lassen. Ich tippte die Nummer der Praxis meiner Frauenärztin in mein Handy und legte im gleichen Moment auf. Es eilte ja nicht. Ich hatte aber ein sehr komisches Gefühl. Ich rief schlussendlich doch an, was sich als riesengrosses Glück im Unglück herausstellen würde. Der Test war positiv. Meine Frauenärztin fiel aus allen Wolken, denn ich war vor ein paar Wochen in der Jahreskontrolle gewesen und sie hatte nichts bemerkt. Ich hatte kein Vertrauen mehr in sie. Sie rief sofort im Krankenhaus an und meinte, ich müsste direkt in den Notfall. Ich war nicht darauf vorbereitet und machte mir grosse Sorgen. Ich rief meine beste Freundin an und erzählte ihr alles. Sie liess alles stehen und liegen und eilte zu mir. Ich musste in den Operationssaal, weil ich bereits erste Anzeichen innerer Blutungen hatte. Ich hatte extreme Panik. Meine erste Operation. Ich erhielt eine Vollnarkose und schlief sofort ein. Als ich wieder aufwachte, sah ich als erstes das Gesicht meiner Freundin und sie sprach behutsam zu mir. Das Ärzteteam habe den betroffenen Eileiter nicht retten können, sondern entfernen müssen. Der ganze aufgestaute Schmerz und die Angst um mein Leben konnte ich nicht mehr länger halten und die Tränen liefen in Strömen. Es kam tief aus meiner Seele – der Embryo musste auch mit dem Eileiter entfernt werden. In erster Linie war ich aber sehr froh, dass ich es überlebt hatte. Ich hatte einen grossartigen Schutzengel an meiner Seite gehabt. Das Vertrauen in meine Intuition wurde gestärkt, weil ich auf mein Gefühl gehört und noch am gleichen Tag den Test hatte machen lassen. Was wäre passiert, wenn ich alleine zuhause gewesen wäre und innerlich verblutet wäre – wäre es zu spät gewesen? Ich will gar nicht darüber nachdenken. Ich bin zutiefst dankbar, dass ich noch am Leben bin. Danach war ich viel zu Hause und erholte mich von der Operation. Ich war deprimiert, blutete viel und trauerte um den Eileiter und den verlorenen Embryo. Ich hatte überhaupt keinen Kinderwunsch, aber es stimmte mich zutiefst traurig, dass ich dieses Kind verloren hatte. Ich hatte nur kurz ein Bild davon gesehen und dennoch schmerzte es mich sehr. Daraus wäre ein Kind geworden, aber unter diesen Umständen war es nicht lebensfähig gewesen. Ich benötigte mehrere Anläufe, um dies zu verarbeiten, indem ich viel weinte. Danach fühlte ich mich gereinigt und gestärkt. Es war für mich in verschiedenster Hinsicht eine wichtige Lektion. Wie so oft, wenn es am dunkelsten ist, bahnt sich ein Licht seinen Weg und die Morgendämmerung lässt erahnen, dass nach der tiefschwarzen Nacht ein neuer Tag voller Leichtigkeit folgt. Es gibt NIE – und das Wort benutze ich nicht gerne, aber in diesem Fall eben doch – einen Grund, die Hoffnung auf bessere Zeiten zu verlieren. Alles kommt und geht. Geh mit dem Fluss des Lebens, behafte dich nicht, gebe dich dem süssen Leben hin und nehme alles mit, was du kannst. Halte die Augen offen, denn das Leben schenkt dir immer wieder neue Chancen und Möglichkeiten.

 
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Meine Kindheit und die Suche [Ausschnitt]