Ausflug auf den Thunersee

Aus: Anna-Maja Lehmann-Gfeller, Goldfäden im Lebensgewebe

Das Drehen der Wählscheibe am schwarzen Bakelit– Gerät der PTT (dem Wandtelefon) im Gang, der an unser Kinderzimmer grenzte, weckte mich. Die Drehscheibe knackte beim Wählen. Grosi hörte sich den Wetterbericht an auf Nummer 161, um zu entscheiden, ob der jährliche Ausflug auf den Thunersee stattfinden konnte.

Wochenlang hatten wir Geschwister und Cousine Lilo uns auf dieses Ereignis gefreut! Sofort stand ich auf und kramte mein rundes stahlblaues Portemonnaie aus der Kommodenschublade. Es war prall gefüllt mit 20-Rappenstücken, welche ich mir mit dem Pflücken von Petersilienstengeln für den Gemüseverkauf während diesem Sommer verdient hatte. Das Highlight des Ausfluges würde nämlich der Süssigkeitenautomat in der Beatenbucht sein, wo wir Kinder mit den Münzen Kaugummi-Zigaretten, Täfeli und weitere Köstlichkeiten rauslassen durften.

Da kein Regen angekündigt war, ging der nächste Telefonanruf von Grosi an Grosstante Lydia, welche uns jährlich auf diesen Ausflug begleitete. Sie spendierte uns jeweils ein Süssgetränk (Rivella oder Orangina) im Restaurant, was für uns etwas sehr Besonderes war, da wir zu Hause Tee, Wasser und Süssmost oder bei besonderen Gelegenheiten Goldmelissensirup tranken.

Mit unbändiger Freude erfüllt fuhren wir mit Grosi und Mueti und einem Rucksack voller Picknick eine Stunde später mit dem «Blauen Bähndli» (VBW) nach Gümligen, wo wir in den Bummlerzug Richtung Thun einstiegen. Cousine Lilo öffnete das Fenster, um in Rubigen unserer geliebten Grosstante Lydia winken zu können, damit sie sah, in welchem Wagen wir waren. Wir genossen das Flattern der Haare im Fahrtwind.

Beim Treppenaufstieg aus der Unterführung im Thuner Bahnhof richteten wir Kinder unsere Augen wie gebannt auf die linke Seite. Hoffentlich stand der Soft-Ice-Automat noch dort! Erleichtert stellten wir fest, dass auch das alte Fraueli, wie im vergangenen Jahr neben dem Automaten sass. Wir freuten uns schon jetzt auf das leckere Soft-Ice, welches uns Grosi bei der Rückkehr von unserer aufregenden Schifffahrt im späteren Nachmittag spendieren würde.

Mein Lieblingsplatz auf dem Schiff war ganz hinten. Ich liebte das Sprudeln des Wassers und das Flattern der Schweizerfahne. Majestätisch stand der Niesen da. In Merligen fasziniert mich der Pilgerweg, der sich dem See entlang schlängelte. Wie gerne möchte ich auch mal dort spazieren – erschrocken stelle ich beim Schreiben fest, dass ich mir diesen kleinen Wunsch bis heute noch immer nicht erfüllt habe. Endlich legte unser Schiff in der Beatenbucht an. Die Kinderschar stürmte schnurstracks dem Süssigkeiten-Automaten entgegen. Dieser lief in der nächsten Viertelstunde heiss, bis wir alle unsere Münzen gegen die Leckereien eingetauscht hatten.

Nach dem gemütlichen Picknick im dortigen Restaurant hörten wir auf das Hupen des von Interlaken herkommenden Schiffes und machten uns auf dem Steg zur Rückreise bereit. Genüsslich waren wir alle am Schlecken, Kauen und Tauschen von unseren Schätzen aus dem Automaten. Juhuii, unser geliebtes Dampfschiff «Blümlisalp» legte an. Während der Rückfahrt bestaunten wir die sich drehenden Wasserräder durch die Gucklöcher und schauten hinunter in den Maschinenraum. In Thun lief uns der Speichel im Munde zusammen, als wir uns nach dem Ausstieg aus dem Schiff in die Warteschlange vor dem Soft-Ice Automaten einreihten. «Soll ich Vanille-Erdbeer oder Vanille-Schokolade nehmen?» Etwas müde, aber glücklich stiegen wir für die Rückreise wieder in den Zug ein.

 
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Eine Traum-Zeitreise

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