Journal
Das Journal bietet Kostproben aus Büchern, die in den Schreibrunden der Edition Unik entstanden sind. Erfahrungsberichte von Teilnehmenden bilden eine zweite Kategorie von Journalbeiträgen.
Schicksalsjahr
Das Jahr 1964 wurde zum Schicksalsjahr für mich und meine Familie.
Im Januar begann in Basel die Offiziersschule für Ärzte, Zahnärzte und Apotheker und dauerte vier Wochen. Danach wurde ich zum Abverdienen des Leutnantgrades nach Winterthur aufgeboten, zu den Militärradfahrern oder «Redlibuben»…
Ein neues Land
Ich war jung und unvoreingenommen, neugierig und gewillt, alles zu tun, um mich nach den Jahren des Heranwachsens in Deutschland in meine neue Schweizer Wirklichkeit einzufügen. Ich kam aus dem flachen Norden, hatte Berge zum ersten Mal mit 20 gesehen. In Zürich gehörten sie zum Stadtbild, es erschien mir wie ein Wunder. Ich konnte Radfahren, knapp Skifahren, und heute sage ich: „Hier ist meine zweite Heimat.“
Fischer und Wäscherinnen
Die am weitesten zurückliegenden Erinnerungen, die ich an Búzios habe, sind die menschenleeren Strände. Es gab nur die Fischerboote, das Meer, das Land und den atlantischen Regenwald, der grün war und sich um alle Hügel schlang. Das war auch schon alles, aber es war wunderschön.
Coronavirus, Depression und Erinnerungen
Nora leidet an Demenz und beschliesst, ihre Gegenwart einzufangen, und zwar alphabetisch: Sie schreibt ein Corona-Alphabet. – Mein Roman entstand aus täglichen Gesprächen mit meiner 90-jährigen Schwiegermutter. Sie hat Krebs und Angst, ihr Gedächtnis zu verlieren. Die Pandemie könnte die letzte Erinnerung sein, die sie haben wird.
Hoi Berlin!
Freitag, der 14. Oktober. Immer noch in Berlin. Max Frisch schreibt in seinem Berliner Journal: «Bilanz der vier Monate Berlin, dass die Zeit vergeht.» Heute sind es bei uns rund 27 Monate, seit wir hier leben. Und ja, die Zeit vergeht. Offensichtlich.
Für Hamudi
Als ich im Patiententransport angefangen habe, ist mir Hamudi gleich als einer der Lebendigsten aufgefallen. So wie er den Aufenthaltsraum betrat, konnte man sicher sein, dass Leben in die Bude kommen würde. Er war keiner, der sich still in eine Ecke verzog. Wenn er guter Laune war, wurde viel gelacht in seiner Nähe. Wenn nicht (was selten vorkam), konnte es auch mal Ärger geben, weil er dann emotional wurde. Man erfuhr jedenfalls immer gleich, wie es ihm ging.
Sepiaknochen
Seraphina lauschte in sich hinein: Dort war es ruhig und friedlich. Sie fühlte die Bettdecke aus merzerisierter Baumwolle weich auf ihrer nackten Haut. Sie war noch fein eingekuschelt, legte sich nun aber streckend und reckend frei. Das Meer rauschte fern, blasse Sonnenstrahlen drängten durch das Bambusrollo vor dem Fenster und Seraphina dankte in Gedanken den Göttern oder einer anderen zuständigen Instanz für diese wunderbare Gelegenheit, die sich ihr geboten hatte.
Die Nachbarin
Am späten Nachmittag durfte das Mädchen rüberlaufen zur Nachbarin. Sie kündigte es durch einen Ruf durchs Haus an und entschwand durch das Straßentor. Bei der Nachbarin klingelte sie kurz und ging ohne weiteres Zögern auf das Haus zu.
’s isch ned eso schlimm & Gott hat Humor
Heisse 33 Grad draussen, im Wohnzimmer auch schon 26 Grad. Da käme doch jetzt ein Eiskaffee genau richtig. «Als würden Sie Ihre Füsse ins Meer vor der australischen Küste tauchen», steht auf der neuen Packung von Nespresso, und darum will ich heute zum ersten Mal «Flat White Over Ice» versuchen.
Volta
We should really know who Volta was because his name is all around us in Basel: on tram stops, squares, and street signs. Voltastrasse 16 was Jim’s first address, temporary housing provided by his employer when he started working in Basel in 1983. It was a furnished one-bedroom apartment on a block of low-slung buildings in a modest workers neighborhood.
Einzelgänger
Da mein Vater höchstens alle zwei oder drei Wochen übers Wochenende nach Hause kam, wuchs ich eigentlich in einer Kleinfamilie auf. Das ist heute sehr häufig der Fall. Meine Mutter hatte als Damenschneiderin ihre Kundinnen, die regelmässig vorbeikamen.
Die rote Zora
Meine grosse Heldin, mit der ich mich vollständig identifizierte, war die rote Zora, die mit ihrer Bande der Uskoken so mutig gegen die Welt der Erwachsenen auftrat. Ihre Kraft und ihre Unabhängigkeit faszinierten mich, denn sie getraute sich sogar, den Bürgermeister ihrer Stadt der Lächerlichkeit preiszugeben. Diesen Mut hätte ich mir gewünscht…
Bikini in Rimini (1968)
Ich fühle mich halb nackt und unbehaglich. Ich weiss nicht, ob das wirklich so toll aussieht an mir mit meinem Babyspeck und den kaum vorhandenen Brüsten. Doch tapfer trage ich mein blau-weiss-kariertes, dünnes, viel zu grosses Bikini am Strand in Rimini. Und meine Mutter erzählt jedem, der zuhören mag: «Jetzt schauen plötzlich alle meine Tochter an und nicht mehr mich.»
Lausanne
Während Mutters Krankheitszeit war in mir der Wunsch gereift, mich als Krankenschwester ausbilden zu lassen. Sicher spielte bei dieser Entscheidung auch meine Tante Lydia eine Rolle. Ich bewarb mich infolgedessen in der Schwesternschule Neumünster auf dem Zollikerberg für eine damals noch drei Jahre dauernde Lehrstelle. Meine Freude war gross, als meine Bewerbung angenommen wurde.
Aus einem traumatischen Erlebnis entsteht ein Berufswunsch
Mit meiner Biographie will ich einen Überblick über meine Kindheit und Jugend erhalten und verstehen, was all die negativen Erfahrungen für eine Ursache hatten und was sie mich lehren wollten.
Grossvater
Unser Zufluchtsort, unsere Insel war das Daheim von Grosi und Grossvater, wenn immer zuhause Chaos herrschte oder ich bei einem Streit zwischen den Eltern mir die Schuld an der Situation gab. Schliesslich mussten sie damals wegen mir heiraten – Kinderlogik halt. Wann immer so eine Situation war, gingen wir nach der Schule zu Grosi und Grossvater.
Vom Eiertütsche und Eierdurchlüchte
Eiertütschen auf dem Estrich von Hulligers war immer ein Highlight an Ostern. Es war üblich, dass jedes Kind, seinem Alter entsprechend, Eier in seinem Nest vorfand. Im draussen versteckten Nest hatte es immer mit Zwiebelschalen gefärbte und mit Osterkraut verzierte Eier.
Die Norweger
Nach dem schrecklichen 1. April 1944 dauerte es noch ein ganzes Jahr, bis der Krieg wirklich zu Ende ging. Unsere Stadt wurde, zum Teil mit finanzieller Hilfe aus den USA, nach und nach wieder aufgebaut. Ganz in der Nähe meines Elternhauses entstanden grosse Barackenlager, die ursprünglich für die Obdachlosen gedacht waren, die bei der Bombardierung der Stadt ihr Zuhause verloren hatten…
Durch ein Wunder blieb ich am Leben
«JA zum Leben» ist die Geschichte eines besonderen Lebenswegs. Während der Lehre bei den SBB wurden mir durch eine Rangierlokomotive beide Beine abgefahren. Innert Sekunden veränderte sich mein Leben auf brutale Weise. Wie weiter?
Dem Frosch ist kalt
Mit der Geburt des dritten Kindes kam ein Kindermädchen ins Haus. Es war zu anstrengend für die Mutter mit einem Neugeborenen und zwei Kleinkindern. Die Dreijährige war von Anfang an immer wieder krank gewesen und ihr Sorgenkind. Das Kind atmete mit Schwierigkeiten, schlief sehr unruhig und hatte nur sehr langsam an Gewicht gewonnen. Die ältere Tochter dagegen war nicht zu bändigen…